Wie hast du’s mit den PIWIs, Bruno?
Pilzwiderstandsfähige Reben (PIWIs) sind entstanden aus Kreuzungen, die besser mit Pilzkrankheiten klarkommen als traditionelle Sorten. Letztere können dadurch komplett vernichtet werden – ausser man benutzt grössere Mengen an Pestizid. PIWIs sind also eine ökologische Alternative im Weinbau, doch in der Schweiz ist der Anbau von anfälligen Sorten nach wie vor der Normalfall.
Bruno Stadler und Danièle Duperrex arbeiten seit über 20 Jahren mit PIWIs und produzieren auf den zwei Rebbergen des Hofs Kasteln Trauben für verschiedene Rot- und Weissweine. Ich habe nun ein Jahr im Rebberg miterlebt und stelle Bruno die Fragen, die mir in dieser Zeit viel gestellt wurden: Was und wie viel spritzt man bei Bio-PIWIs? Ist der Wein einfach ökologisch oder auch gut? Und: was fasziniert ihn auch nach 20 Jahren am Rebbau?
Martina Heeb: Bruno, diese Frage kommt immer, also beginnen wir gleich damit: Was darfst du spritzen bei deinen PIWI-Reben?
Bruno Stadler: Wichtig ist, dass es bei PIWI-Sorten trotz falschem und echtem Mehltau wesentlich weniger, bis gar kein Fungizid braucht. Im der Bio-Landwirtschaft sind chemisch-synthetische Mittel, die von der Pflanze aufgenommen werden, sowieso nicht erlaubt. Sie sind aber auch nicht nötig. Biologische Mittel, welche von aussen wirken und beispielsweise den pH-Wert auf der Blattoberfläche verändern oder eine Schutzschicht bilden, reichen aus. Wir spritzen entweder ein Gemisch aus Tonerde und Schachtelhalm und in schwierigen Jahren (beispielsweise bei langer Nässe oder Hagel) auch Kupfer und/oder Schwefel. Klassische Sorten wie Blauburgunder-Trauben benötigen durchschnittlich ca. 10-15 Behandlungen in einer Saison, ich komme bei meinen PIWIs mit ca. 3 Behandlungen durch. So bleibt auch die Menge von Kupfer oder Schwefel um ein Vielfaches unter den zugelassenen Werten.
MH: Was ist der geschmackliche Unterschied zwischen Weinen aus wohlbekannten Trauben und Weinen aus PIWI-Sorten? Kann man PIWI-Weine charakterisieren und erkennen, also reden wir von Nuancen oder von komplett verschiedenen Schubladen?
BS: Weine aus PIWI-Trauben sind andere Sorten und haben dementsprechend andere Geschmackseigenschaften. So mussten wir mit dem Lohnkelterer für jede Traube ausprobieren, wie das Beste an Geschmack rausgeholt werden kann. Bei Blauburgunder weiss man seit Jahrhunderten, wie er gekeltert werden kann und was einen geschmacklich erwartet. Für PIWIs braucht es Experimentierfreudigkeit und Lust, die interessierten Menschen in den Prozess zu involvieren und ihnen die neue Geschichte der Weine zu erzählen. Am Schluss muss aber einfach das Produkt stimmen, egal ob PIWI oder konventionell, Bio oder nicht.
Es gibt wunderbare Weine in allen Bereichen, niemand muss aus schlechtem Gewissen einen ökologischen Wein trinken, der ihnen nicht schmeckt. Wein soll lustvoll sein, und da stelle ich eine grössere Offenheit fest, dass nicht mehr alle Lust auf Riesling-Sylvaner oder Chardonnay haben, sondern sich auf spannende, neue Geschmäcker einlassen möchten. Unser Divico beispielsweise, ein reinsortiger Rotwein, trifft den aktuellen Geschmack offenbar prima, jedenfalls wird er gut nachgefragt und in der Westschweiz häufig auch in Nicht-Bio-Rebbergen angebaut. Schlussendlich bleibt es Geschmackssache!
MH: Weshalb produzieren nicht viel mehr Leute feine ökologische Weine?
BS: Das ist eine nicht so rühmliche Geschichte, es war nämlich lange gar nicht so einfach, auf den Zug aufzuspringen. Lange wurden PIWI-Sorten in eine schändliche Ecke gestellt, es ging um Macht und Vorrechte, die Pestizid-Firmen lobbyierten jahrzehntelang erfolgreich offen und verdeckt für den «Schutz» der alten Sorten (und der dazu notwendigen Spritzmittel) und die Behörden spielten oft mit. Beispielsweise durften PIWI-Sorten nicht als AOC registriert werden, ein deutlicher Nachteil im Marketing. Bis vor wenigen Jahren wurde in den Weinbaukantonen noch vorgeschrieben, welche Sorten angebaut werden dürfen, was der Entwicklung von Reben, die den neuen Bedingungen angepasst sind, nicht förderlich war. Die Geschichte der PIWIs ist deshalb auch geprägt von mutigen Forschern, Praktikern und Querdenkern, die sich nicht unterkriegen lassen wollten. Das ist alles gar nicht so lange her, doch nun gibt es in den letzten Jahren eine deutliche Bewegung sowohl in Richtung biologischem Rebbau und in Richtung PIWI. Ökologischer Anbau ist kein rotes Tuch mehr, die Entwicklung läuft schneller und die feinen neuen Weine haben schon viele Freund*innen gefunden!
MH: Was fasziniert dich auch nach über 20 Jahren noch am Rebbau?
BS: Die Faszination beginnt beim langsamen Kreislauf der Weinproduktion. Im Rebbau dauert es 6-8 Jahre, bis du das Endresultat siehst: vom Pflanzen der Reben, bis sie tragen, vom jährlichen Schneiden und Binden über Rebstockpflege zu Laubarbeiten und von der «Läset» über alle Schritte im Weinkeller bis zum fertigen Wein. Komplett gegen den Zeitgeist! Auch das feine Beobachten der Triebe, Blätter, Gescheine oder Trauben passt mir. So erlebe ich die Jahreszeiten intensiv – und es entschleunigt von der geschäftigen Welt. Die Vielfalt der Rebsorten, ja sogar der einzelnen Stöcke ist beeindruckend und es gefällt mir, mich mit jedem auseinanderzusetzen. Da für uns der ökologische Anbau gesetzt war, haben wir uns von Anfang an den Herausforderungen gestellt und ein gutes Mass an Aufbauarbeit betrieben. Das direkte Feedback der Kund*innen ist und bleibt aber schön und wichtig und mittlerweile haben viele Menschen mit Vorliebe für guten ökologischen Wein zu uns gefunden.
Ein feiner eigener Wein ist immer eine grossartige Sache und der Innovationspreis vor vielen Jahren war eine Befriedigung. Doch die schönste Auszeichnung ist es, wenn nun auch Nicht-Bio-Nachbarn vorbeikommen und um Rat fragen. Im Kern ist die Liebe zum Wein geblieben, oder vielmehr, sie wurde noch geschärft. Guter Wein ist mir eine Herzenssache und die Entstehung ist ein wichtiger Teil der Qualität, da sind wir mit Herzblut dabei!
Interview von Martina Heeb
Der nächste Verkaufsanlass mit unseren Hofprodukten findet am Freitag,
8. Dezember 2023 von 16 bis 20 Uhr und Samstag, 9. Dezember 2023 von 9 bis 12 Uhr statt.
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Wir freuen uns auf Bestellungen und Ihren Besuch und grüssen Sie freundlich!
Ihre Kasteler Familien Stadler-Duperrex und Heeb
Agenda:
Übernächster Verkauf: 23. und 24. Februar 2024